Gründe für die Ungültigkeit von Ehen

„Die Ehe erfreut sich der Rechtsgunst; deshalb ist im Zweifelsfall an der Gültigkeit der Ehe so lange festzuhalten, bis das Gegenteil bewiesen ist.“ (Canon 1060 des Codex Iuris Canonici)

Wenn man nach Scheidung einer gescheiterten Ehe eine andere kirchliche Ehe eingehen will, ist das zumeist nur möglich, wenn diese gescheiterte Ehe in den Augen der katholischen Kirche nicht gültig war.

Eine Ehe kommt nach dem Recht der katholischen Kirche nur dann gültig zustande, 

  • wenn beide Partner zur Ehe tatsächlich fähig sind,
  • wenn beide Partner zur Ehe rechtlich fähig sind,
  • wenn beide Partner die Ehe mit der gewählten Person wirklich wollen,
  • wenn die Ehe in der vorgeschriebenen Form geschlossen worden ist.

 

Wenn bei der (ersten) Heirat in einem dieser Punkte ein Mangel bestand und dieser nachgewiesen werden kann, kann die Ehe in einem kirchlichen Gerichtsverfahren für nichtig erklärt werden. Die Partner werden dann rechtlich als ledig behandelt, können also andere Partner heiraten.

Mängel in der tatsächlichen Ehefähigkeit

Eine Person muss im natürlichen Sinne, also physisch und psychisch tatsächlich ehefähig sein, um gültig heiraten zu können.

Körperliche Ehefähigkeit
Das kirchliche Recht verlangt zur Gültigkeit der Ehe, dass die Partner physisch zum Geschlechtsverkehr miteinander fähig sind. Eine Impotenz kann körperlich-medizinische oder psychische bzw. psychosomatische Ursachen haben. In beiden Fällen kann eine Ehe nicht gültig geschlossen werden. Es spielt allerdings keine Rolle, ob die Partner auch Kinder bekommen können. Unfruchtbarkeit ist kein körperlicher Mangel, der zur Ungültigkeit der Ehe führt.

Psychische Ehefähigkeit
Es ist heute selbstverständlich, dass ein Mensch zum Heiraten nicht nur ein bestimmtes Alter haben muss, sondern auch eine hinreichende geistige Reife und ausreichende seelische Stabilität. In jedem Falle ist nötig, dass er nicht unter Beeinträchtigungen seiner Geistesfähigkeit leidet. Das meint aber nicht nur die staatliche „Geschäftsfähigkeit“, sondern geht weit darüber hinaus.

Neben seelischen Erkrankungen, die durch einen Psychiater oder eine psychiatrische Fachklinik diagnostiziert werden, können Menschen vielfältige psychische Probleme haben, die im Alltag nicht leicht zu erkennen sind.

Welche seelischen Probleme, die oft erst nach dem Scheitern einer Ehe thematisiert werden, aber immer schon da waren, zur Ungültigkeit der Ehe führen, kann hier nicht umfassend dargestellt werden.

Wenn der Verdacht besteht, dass das Misslingen einer Ehe psychische Gründe haben könnte, kann das im Beratungsgespräch überlegt und in einem Nichtigkeitsverfahren durch das Gutachten von Sachverständigen geprüft werden.

In manchen Fällen kann das Scheitern einer Ehe auch offenkundige Ursachen haben, etwa in psychischen Problemen wie bspw. einer Suchterkrankung oder psycho-sexuellen Schwierigkeiten. Oft liegt dann der Verdacht nahe, dass diese Ehe schon von Anfang an nicht gültig geschlossen werden konnte.

Außerdem muss die Ehe im wahrsten Sinne frei-willig geschlossen werden. Der freie und innere Wille zur Ehe darf nicht durch inneren oder äußeren Druck beeinträchtigt worden sein (z. B. Schwangerschaft oder Ansehen).

Die Pflichten, die wesentlich zur Ehe gehören, muss man bei der Heirat nicht nur akzeptieren, sondern sie auch erfüllen können. Allein das „Wollen“ reicht für eine gültige Eheschließung nicht aus, es muss zuvor das „Können“ vorhanden sein.

So ist eine Ehe auch dann ungültig, wenn ein Partner aus psychischen Gründen unfähig ist, die grundlegende eheliche Pflicht nicht zu erfüllen, nämlich mit dem anderen eine ganzheitliche, gleichberechtigte, entwicklungsfähige und dauerhafte Lebensgemeinschaft aufzubauen und durchzuhalten, die dem beiderseitigen Wohl dient.

Mängel in der rechtlichen Ehefähigkeit

Darüber hinaus gibt es auch rechtliche Grenzen der Ehefähigkeit. Das kirchliche Recht verlangt wie das weltliche Recht zur Gültigkeit der Ehe, dass die Partner ein bestimmtes Alter haben, dass sie nicht bereits verheiratet, also kirchlich ledig sind, dass sie nicht zu nahe miteinander verwandt sind.

Mindestalter
Nach kirchlichem Recht muss ein Mann mindestens 16 und eine Frau mindestens 14 Jahre alt sein, um heiraten zu können. Eine solche Ehe von Minderjährigen müsste aber in den meisten Ländern der westlichen Welt vom Diözesanbischof genehmigt werden, da sie nach staatlichem Recht nicht geschlossen werden darf.

Ledigenstand
Bereits verheiratet ist, wer nach kirchlichem Recht an einen anderen Partner gebunden ist, auch wenn er nach staatlichem Recht geschieden ist. Die staatliche Scheidung löst nach kirchlichem Verständnis das Eheband nicht.
Dabei sind für die katholische Kirche nicht nur solche Ehen bindend, die kirchlich geschlossen worden sind, sondern auch andere, für die die Formbestimmungen der Kirche nicht gelten: Standesamtliche Ehen zwischen evangelischen Christen gelten nach katholischem Recht als sakramentale und gültige Ehen. Die Ehen von Ungetauften gelten als gültige „Naturehen“. Auch solche Ehen müssen vor einer (erneuten) kirchlichen Eheschließung kirchenrechtlich aufgelöst oder annulliert werden.

Verwandtschaft
Natürlich dürfen die Ehepartner auch nicht zu nah miteinander verwandt sein. Im kirchlichen Recht gelten in etwa dieselben Bestimmungen wie im BGB, wobei die Ehe von Cousin und Cousine oder Onkel und Nichte einer besonderen bischöflichen Erlaubnis bedürfen.

Sonstiges
Es gibt noch weitere rechtliche Hindernisse für eine Ehe, die aber in der Praxis kaum eine Rolle spielen: Weihe, Ordensgelübde, Gattenmord oder Entführung.
Spezifisch kirchlich ist die Forderung, dass beide Partner einer kirchlichen Ehe getauft sein sollen. Die Ehe zwischen einer katholischen und einer ungetauften Person bedarf einer besonderen Genehmigung.

Für alle genannten Voraussetzungen gilt: Wenn sie nicht erfüllt sind, ist die Ehe ungültig.

Mängel im Ehewillen

Im weltlichen Recht kommt eine Ehe dadurch zustande, dass die Partner vor dem Standesbeamten erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen.

In der Kirche kommt sie dadurch zustande, dass sie das wirklich wollen und nicht nur erklären. Ausschlaggebend für die Gültigkeit der Ehe ist nicht allein, was die Brautleute vor dem Priester gesagt haben, sondern was sie gewollt haben: Auch wenn jemand „Ja“ sagt, kann er „Nein“ meinen/wollen.

Uneingeschränktes Ja zum Partner
Zum einen muss der Partner/die Partnerin gewollt sein, so wie er/sie in Wirklichkeit ist und das bedingungslos. Dabei geht es ganzheitlich um den Partner/die Partnerin als Person und nicht um Nebensächlichkeiten wie Geld, Ansehen, Titel oder Aussehen. Zum anderen muss die Ehe gewollt sein, so wie sie als Rechtsinstitut ist. Für beides gilt: Ganz – oder gar nicht!

Ehe zum Schein
Wer bei der Hochzeit nur so tut, als wolle er heiraten, für den das ganze aber nur (besonders festliches) „Theater“ ist, heiratet ungültig. Heiratsschwindler gehen manchmal auch eine kirchliche Ehe ein – wenn das nötig ist, um den Schein zu wahren.

Nach kirchlichem Recht ist auch die Ehe nichtig, die zu anderen Zwecken eingegangen wird als zur Lebensgemeinschaft mit dem Partner oder der Partnerin, wenn mit der Eheschließung vorrangig etwas anderes erreicht werden soll als die Ehe (z. B. Geld oder Aufenthaltsrecht) und die Eheschließung nur Mittel zum Zweck ist.

Zur gültigen Eheschließung ist zudem erforderlich, dass die Ehe wirklich gewollt wird, und da sie durch die kirchliche Trauung zustande kommt, muss diese Trauung als Beginn der Ehe gewollt sein.

Uneingeschränktes Ja zur Ehe
Noch gehen wir davon aus, dass jeder Mensch, der eine kirchliche Ehe eingeht, darüber informiert ist, wie die Kirche die Ehe versteht: als eine Schicksalsgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die ein Leben lang dauert und zur Treue verpflichtet, in der beide die gleichen Rechte und Pflichten haben. Und dass die Ehe, wenn beide Partner getauft sind, ein Sakrament ist.

Das kirchliche Recht hält eine Ehe für ungültig, wenn der Wille eines Partners durch einen Irrtum über die Einpaarigkeit, die Unauflöslichkeit oder die Sakramentalität der Ehe bestimmt war.

Manche Menschen wollen eine kirchliche Ehe, lehnen aber das kirchliche Eheverständnis für sich ab: Eine lebenslange Bindung wird nicht akzeptiert, die Treuepflicht als „von gestern“ abgelehnt, das Mitspracherecht des Partners über die eheliche Sexualität und das Elternwerden nicht anerkannt. Eine gültige Ehe kommt aber nur zustande, wenn kein Partner solche wesentlichen Eigenschaften oder Elemente der Ehe ablehnt. Die Ehe gibt es kirchlich nur ganz oder gar nicht.

Ehe – bis dass der Tod uns scheidet
Wer es ablehnt, eine unscheidbare, unkündbare Lebensgemeinschaft zu begründen, sich vielmehr vorbehält, sich unter bestimmten Umständen scheiden zu lassen und nach einer Scheidung auch wieder frei für eine neue Ehe zu sein, geht keine gültige Ehe ein.

Ein-Ehe in Treue
So wie das deutsche zivile Eherecht versteht auch die Kirche die Ehe als Ein-Ehe. Darin ist kein Platz für Dritte. Wer bei der Heirat den Willen hat, noch eine weitere Partnerin (oder einen weiteren Partner) zu heiraten oder außereheliche Affären zu haben, schließt die Ehe ungültig.

Ehe – und Familie
Die Ehe ist die Grundlage für eine Familiengründung. Manchmal wird dieses Thema vor der Heirat vermieden, um keinen Streit zu verursachen. Manchmal wird dem Kinderwunsch des anderen nur scheinbar zugestimmt, auch wenn das nicht ehrlich ist. Jedenfalls ist eine Ehe ungültig, in der sich ein Partner das Alleinentscheidungsrecht in dieser Frage vorbehält.

Ehe – bedingungsloses Ja
Jede Zukunfts-Bedingung macht die Ehe ungültig, auch die, die sich auf das künftige Verhalten des Partners bezieht.

Ehe aufgrund von Täuschung
Wenn einer den anderen vor der Ehe über etwas für die Beziehung Relevantes von sich täuscht, beurteilt das kirchliche Recht diese Ehe in gewissen Grenzen als ungültig.

Dabei liegt eine Täuschung nicht nur dann vor, wenn jemand etwas (für den anderen Partner sehr Wichtiges) wahrheitswidrig behauptet, sondern auch dann, wenn etwas für den Partner oder für die gesamte Ehe erkennbar sehr Wichtiges verschweigt oder einen bestehenden Irrtum hierüber aufrecht erhält, wenn eine Aufklärungspflicht bestanden hätte.

Ehe – aus freien Stücken
Es ist selbstverständlich, dass beide Partner die Ehe freiwillig eingehen müssen. Wer zur Ehe gezwungen oder unter Druck gesetzt wurde und nur aus Angst vor den angedrohten Konsequenzen heiratet (Bsp.: arrangierte Ehe), heiratet nicht gültig.

Mängel in der vorgeschriebenen Form

Wie im Staat so ist auch in der Kirche das Heiraten an bestimmte, eigene, kirchliche Formvorschriften gebunden. Diese Vorschriften gelten aber nur für Katholiken.

Die Grundregel lautet: Wer katholisch ist, muss seine Ehe vor einem zuständigen Priester oder Diakon und zwei Zeugen schließen. Zuständig ist, wer am Ort der Trauung das Pfarramt (leitender Pfarrer) innehat oder derjenige Priester oder Diakon, dem die Befugnis zur Eheschließungsassistenz („Traubefugnis“) erteilt wurde. Die Grundregel gilt auch, wenn nur ein Partner katholisch ist.

Manchmal prüft die katholische Kirche auch Ehen auf ihre Gültigkeit, an denen kein Katholik beteiligt ist, z. B. wenn die neue Ehe in der katholischen Kirche geschlossen werden soll. Auch für solche Ehen gelten Formvorschriften, und zwar die, die für die Partner nach dem Recht ihrer Konfession verbindlich sind.

Für die Feststellung der Ungültigkeit einer Ehe wegen Nichteinhaltung der kirchlichen Eheschließungsform eines Katholiken ist nicht notwendig ein gerichtliches Verfahren erforderlich. Wenn feststeht, dass ein Partner formpflichtig war und ohne Einhaltung dieser Pflicht geheiratet hat, kann dies in einem einfachen Verwaltungsverfahren durch das Generalvikariat festgestellt werden.