Ehelehre und Eherecht in der katholischen Kirche
Die Art und Weise, wie die katholische Kirche mit dem Scheitern von Ehen und mit der Frage nach einer zweiten Heirat umgeht, ist erklärungsbedürftig. Ihre Grundlage ist, dass die Ehe unauflöslich ist.
Dass der Mensch nicht trennen soll, was Gott verbunden hat, hat Jesus den Pharisäern geantwortet, als sie ihn nach den Gründen gefragt haben, die einen Mann berechtigen, seine Frau zu entlassen und ihr den “Scheidebrief” auszustellen. Jesus, der in den Streit der rabbinischen Schulen hineingezogen werden sollte, die sich über die von Moses erlaubte Ehescheidung nicht einig waren, greift weiter zurück, auf die Schöpfungsordnung: Dass Moses die Scheidung erlaubt habe, sei nur auf die Herzenshärte der Menschen zurückzuführen. Im Anfang, bei der Schöpfung, sei es nicht so gewesen:
Da kamen Pharisäer zu ihm, die ihm eine Falle stellen wollten, und fragten: Darf man seine Frau aus jedem beliebigen Grund aus der Ehe entlassen? Er antwortete: Habt ihr nicht gelesen, dass der Schöpfer die Menschen am Anfang als Mann und Frau geschaffen hat und dass er gesagt hat: Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden, und die zwei werden ein Fleisch sein? Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen. Da sagten sie zu ihm: Wozu hat dann Mose vorgeschrieben, dass man (der Frau) eine Scheidungsurkunden geben muss, wenn man sich trennen will? Er antwortete: Nur weil ihr so hartherzig seid, hat Mose euch erlaubt, eure Frauen aus der Ehe zu entlassen. Am Anfang war das nicht so. Ich sage euch: Wer seine Frau entlässt, obwohl kein Fall von Unzucht vorliegt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch. (Mt 19,3-9)
Den Kernsatz aus den Worten Jesu zur Ehescheidung “Was aber Gott verbunden hat, darf der Mensch nicht trennen”, hat die Kirche von Anfang an sehr ernst genommen. Sie hat in den ersten Jahrhunderten kein eigenes Eherecht gehabt, sondern die Christen haben geheiratet, wie es nach dem Recht ihres Lebensbereiches üblich war. Aber sie haben ihre Ehe verstanden als “im Herrn” geschlossen, als eine Bindung aneinander, die von Gott mitgetragen und vor Gott verantwortet wird. Scheiterte eine solche Ehe, wurde eine zweite Heirat “im Herrn” nicht anerkannt.
Das Zweite Vatikanische Konzil sorgte für eine Weiterentwicklung des Eheverständnisses
Über lange Jahrhunderte hat die Kirche die Ehe als einen Vertrag verstanden, in dem sich ein Mann und eine Frau dazu verpflichten, einander zu zeugungsgeeignetem Geschlechtsverkehr zur Verfügung zu stehen. Dieser Vertrag war unkündbar (“unauflöslich”) und exklusiv, er verbot also jede geschlechtliche Beziehung zu dritten Personen. Man kann den Charakter dieses Vertrages auch anders umschreiben: Mann und Frau stellten sich gemeinsam in den Dienst der Fortpflanzung. Um die Verantwortung, die Eltern für ihre Kinder haben, sicherzustellen, durfte kein außerehelicher Geschlechtsverkehr sein – es musste klar sein, wer Vater und wer Mutter eines Kindes ist –, und die Dauerhaftigkeit der Verantwortung zeigte sich in der Unkündbarkeit der Ehe. So gesehen war die Ehe ein Vertrag über die Elternschaft. Phänomene wie die Sterilität, die ungewollte Unfruchtbarkeit der Ehe, waren nicht hinreichend erklärbar, als man dieses Ehebild entwickelte – und in Einzelfällen ist bis heute nicht klärbar, warum Paare keine Kinder bekommen. Darum wurde die Sterilität nicht als Fehler der Ehe gesehen, wohl aber die Impotenz, bei der erkennbar war, warum das Paar nicht fruchtbar werden konnte.
Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat sich (sehr unerwartet) die Einsicht durchgesetzt, dass das geschilderte Verständnis von Ehe zu kurz greift. Die Konzilsväter hatten verstanden, dass Menschen mehr meinen, wenn sie sich für ein Leben aneinander binden, als die Aufgabe, Kinder in die Welt zu setzen. Mit der Entwicklung des Eheverständnisses in der profanen Welt haben auch die Konzilsväter gesehen, dass die Partner sich zuerst um ihrer selbst willen miteinander verbinden, dass es um die Lebenspartnerschaft als solche geht und nicht um Zwecke, denen eine solche Partnerschaft dienen soll, aber nicht muss.
Lange haben die Christen in der zuerst noch ungeteilten Christenheit nach den Regeln ihrer Kulturen geheiratet, aber sie haben sich an dem Wort Jesu orientiert, dass Scheidung gegen Gottes Willen und Wiederheirat daher Ehebruch ist. Als die Kirche im Mittelalter ein eigenes Eherecht ausbildete – sie war damals die eigentliche Ordnungsmacht im Abendland –, legte sie die Unauflöslichkeit der Ehe darin fest. Was gegen Gottes Willen verstößt, kann die Kirche nicht billigen, und darum kann sie, wenn eine Ehe gescheitert ist, nicht zulassen, dass die Partner andere Ehen eingehen.
“Unauflöslichkeit der Ehe” bedeutet also: Einem Menschen vor Gott das Jawort zu geben, schafft eine Bindung, die bis zum Tode eines der Partner bleibt. Erst nach dem Tod des Partners kann eine andere Ehe eingegangen werden. Dass Ehepartner sich trennen, kann unter bestimmten Bedingungen akzeptiert werden, aber zu einer anderen Ehe können sie nicht zugelassen werden, solange beide Partner leben.
Eigenschaften der Ehe: Einheit und Unauflöslichkeit
Auf der Basis dieser Einsichten, die das Konzil 1965 formulierte, hat das kirchliche Gesetzbuch von 1983 diesen Ehebegriff seinen Normen zugrunde gelegt:
§ 1. Der eheliche Bund, in dem Mann und Frau eine Gemeinschaft des ganzen Lebens miteinander begründen, die ihrer natürlichen Anlage nach auf das Wohl der Gatten und auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft hin geordnet ist, ist von Christus dem Herrn unter Getauften zur Würde eines Sakramentes erhoben worden.
§ 2. Deshalb kann unter Getauften kein gültiger Ehevertrag bestehen, der nicht als solcher Sakrament wäre. (Can. 1055)
Die Ehe ist eine Gemeinschaft des ganzen Lebens! Mann und Frau teilen ihr Schicksal miteinander. Sie teilen ihr ganzes Leben miteinander, also ihren Alltag und ihre Feiertage, ihre Leistungen und ihre Krankheiten, ihre Sorgen und ihre Sternstunden. Sie teilen miteinander ihre Sexualität, und da auch hier das ganze Leben gemeint ist, kann diese Sexualität nicht mit anderen geteilt werden. Sie teilen miteinander die Elternschaft, wenn sie ihnen geschenkt wird.
„Gemeinschaft des ganzen Lebens“ heißt schließlich, dass die ganze Dauer des Lebens davon umfasst ist: Eine scheidbare Ehe würde nicht das ganze Leben meinen, wäre eine Gemeinschaft auf Widerruf. Weil diese Aussage für jede Ehe gilt, kann das kirchliche Eherecht sagen:
Die wesentlichen Eigenschaften der Ehe sind die Einheit und die Unauflöslichkeit, die in der christlichen Ehe wegen des Sakramentes eine besondere Festigkeit erlangen. (Can. 1056)
Für Christen umfasst diese Gemeinschaft des ganzen Lebens auch ihren Glauben und ihr Verhältnis zu Gott. Die Kirche lehrt, dass die Eheschließung zu den Zeichenhandlungen gehört, die mehr meinen, als sie äußerlich erkennen lassen. So wie die Taufe nicht nur eine Abwaschung mit etwas Wasser ist, sondern der Eintritt in die Kirche, so ist die Heirat nicht nur eine gesellschaftliche Abmachung, sondern der Beginn einer Lebensgemeinschaft „im Herrn“, der Gottes Gnadenzusage verheißen ist.
Entscheidend ist nicht das Ja-Wort, sondern das wirkliche Ja-Wollen.
Als Jesus seinen Zuhörern verdeutlicht hatte, was Gottes Wille bezüglich der Ehe ist, dass sie nicht getrennt werden darf, weil Menschen es wollen, erfuhr er eine deutliche Reaktion:
„Da sagten die Jünger zu ihm: Wenn das die Stellung des Mannes in der Ehe ist, dann ist es nicht gut zu heiraten!“ (Mt 10,10).
Man kann diese Sorge allgemeiner formulieren: Wenn die Ehe unauflöslich ist, wenn sie eine Bindung auf Lebenszeit ist, wenn sie Partner, die miteinander nicht mehr leben können und sich getrennt haben, für den Rest des Lebens zum Alleinbleiben verpflichtet – ist es dann nicht ein zu hohes Risiko, eine Ehe einzugehen? Den Wunsch zu haben, miteinander alt zu werden, ist das eine, aber wer realistisch ist, weiß, wie gefährdet Ehen sind und wie groß das Risiko, das gemeinsame Altwerden nicht zu schaffen.
Auch für das staatliche Recht gilt, dass die Ehe auf Lebenszeit geschlossen wird. Und auch für den Staat gilt, dass die Ehegatten sich nicht selbst scheiden können – sie brauchen einen richterlichen Beschluss. Früher war die staatliche Scheidung an gravierende Voraussetzungen gebunden, heute reicht letztlich das Wollen eines oder beider Partner aus, um nach Beachtung gewisser Fristen geschieden zu werden. Eine so scheidbare Ehe einzugehen, ist ein begrenztes Risiko.
Die Kirche aber lehrt: Die Ehe ist nicht scheidbar! Aber sie lehrt auch: Die Ehe kann nicht oberflächlich, aus einer Laune heraus, aus banalen Motiven, zu ehefremden Zwecken geschlossen werden. Und es reicht nicht aus, dass die Partner dem Priester erklären, dass sie die Ehe wollen – dem Standesbeamten reicht das –, sondern die Kirche verlangt, dass sie die Ehe wirklich wollen! Das wird im kirchlichen Eherecht so formuliert:
§ 1. Der zwischen rechtlich fähigen Personen rechtmäßig kundgetane Wille der Partner schafft die Ehe; er kann durch keine menschliche Macht ersetzt werden. (Can. 1057)
Nicht die Erklärung vor dem Priester, nicht das Ja-Wort ist ausschlaggebend für das Zustandekommen einer Ehe, sondern das wirkliche Ja-Wollen. Den Willen zur Ehe nennt man “Konsens”, was einerseits Zustimmung heißt, andererseits aber auch Übereinstimmung. Diesen Konsens definiert das Eherecht so:
§ 2. Der Ehewille ist derjenige Willensakt, durch den Mann und Frau sich in unwiderruflichem Bund einander geben und annehmen, um die Ehe zu begründen. (Can. 1057)
Das Ja, das die Brautleute einander sagen, richtet sich zunächst auf die Person des anderen: “Du bist es, den ich als Ehepartner will. Du bist es, wie du bist und wie du sein wirst.” Die Partner nehmen einander an und schenken sich, vorbehaltlos und ohne Bedingungen, ohne Wenn und Aber.
Das Ja richtet sich aber auch auf die Ehe: Es ist Ausdruck des Willens, mit der gewählten Person das Leben zu teilen, die “Gemeinschaft des ganzen Lebens” einzugehen, die der Gesetzestext einen “unwiderruflichen Bund” nennt. Diese Gemeinschaft des ganzen Lebens hat, wie oben beschrieben, viele Dimensionen, vor allem die lebenslange Dauer, die sexuelle Exklusivität, die Gemeinsamkeit in der Elternschaft, die Zielrichtung des gemeinsamen Wohls.
Der kirchliche Gesetzgeber legt die Schwelle für eine gültige Ehe höher als der Staat
Die Unauflöslichkeit der Ehe ist ein Grund, warum der kirchliche Gesetzgeber die Schwelle für die gültige Ehe höher legt als der staatliche. Ein gravierender Unterschied wurde genannt: das Konsensprinzip. Aber auch mit einigen anderen Sachverhalten geht die Kirche anders um als der Staat:
Wenn jemand die Ehe unfreiwillig schließt, weil er einer Drohung ausweichen will, kann er sich nach Wegfall der Drohung staatlich scheiden lassen. Die Kirche hingegen hält seine Ehe für ungültig.
Wenn jemand von seinem Partner über eine wichtige Eigenschaft getäuscht worden ist, z.B. über die Unfruchtbarkeit, kann er sich staatlich scheiden lassen. Die Kirche hingegen hält seine Ehe für ungültig.
Wenn jemand nicht über die hinreichende Persönlichkeitsreife verfügt hat, um eine verantwortliche Entscheidung zur Ehe zu treffen, sondern in seiner Erkenntnisfähigkeit oder inneren Freiheit eingeschränkt war, kann er sich staatlich scheiden lassen, die Kirche aber hält seine Ehe für ungültig
Die Beispiele ließen sich vermehren. Sie sollen eines zeigen: Dem “Risiko” einer unscheidbaren Ehe entspricht eine erhöhte Schwelle für die gültige Ehe. Das bedeutet nun nicht, dass jede Person, die kirchlich heiraten will, einen Test machen müsste, um die persönliche Eignung für die Ehe zu beweisen. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass heiraten kann, wer ledig und alt genug ist und keinem Ehehindernis unterliegt, das nicht behoben werden kann. Das “Brautgespräch” beim Pfarrer vor der kirchlichen Trauung dient allerdings dazu, den Brautleuten deutlich zu machen, was die Kirche unter Ehe versteht und wie ernst ihr Entschluss zu nehmen ist, eine kirchliche Ehe einzugehen.
Die Konsequenz aus der “erhöhten Schwelle”, von der eben die Rede war, ist, dass nicht alle Ehen gültig zustande kommen, die äußerlich normal geschlossen werden. Das Ja-Wort kann man zwar hören, das Ja-Wollen aber nur annehmen. Das tut auch der kirchliche Gesetzgeber, der davon ausgeht, dass eine Ehe gültig ist, wenn sie in der vorgeschriebenen Art und Weise geschlossen worden ist. Er unterstellt, dass das Gewollte mit dem Gesagten übereinstimmt, allerdings nur so lange, bis das Gegenteil bewiesen ist.
Aber anders als der Staat lässt die Kirche die Frage zu, ob denn diesem äußeren Anschein zuwider die Ehe vielleicht ungültig ist, ob also die gesetzte Schwelle nicht erreicht wurde. In Teil D dieses Buches sind viele Beispiele genannt, die erkennen lassen, dass Mängel im Ehewillen oder in der Ehefähigkeit zu einer ungültigen Ehe geführt haben können.
Für solche Fälle ist das Ehenichtigkeitsverfahren der Ort der Prüfung: Weil die Ehe unauflöslich ist, weil die Schwelle zur gültigen Ehe hoch liegt, weil eine Ehe daher möglicherweise ungültig ist: darum bietet die Kirche mit dem Ehenichtigkeitsverfahren einen Weg an, die Frage nach einer möglichen Wiederheirat positiv zu beantworten.
Noch einmal: Kirche und Staat. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass der Staat die Ehescheidung kennt, die Kirche aber nicht. Gleichwohl ist in der Kirche die Rede von einer Auflösung der Ehe. Ist das nicht doch eine Ehescheidung?
Präzise betrachtet ist der Unterschied zwischen der Scheidung und den Entscheidungen der Kirche der, dass die Scheidung die Folge des Entschlusses eines oder beider Partner ist, dem Unglück gemeinsamen Lebens ein Ende zu setzen und die Ehe durch den staatlichen Richter beenden zu lassen.
Eine Eheannullierung und die Auflösung einer kirchlichen Ehe haben nicht zuerst das Scheitern der Ehe zur Voraussetzung, sondern Mängel am Zustandekommen der Ehe selbst. Die Nichtigkeitsgründe bewirken, dass die Ehe gar nicht gültig zustande gekommen ist. Die Auflösungsgründe bestehen darin, dass die Ehe die Vollgestalt einer unauflöslichen Ehe nicht erreicht hat: Sie ist nicht Sakrament – einer oder beide Partner sind nicht getauft – oder sie ist nicht vollzogen – die Partner haben keine eheliche Geschlechtsgemeinschaft gehabt. Für die Durchführung eines entsprechenden Verfahrens muss aber sicher sein, dass die Ehe gescheitert ist, dass eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft ausgeschlossen ist.
Wieso ist der Nichtvollzug ein Mangel? Wieso spielt es keine Rolle für den sogenannten „Vollzug” der Ehe, ob ein Paar vor der kirchlichen Heirat bereits gemeinsame sexuelle Praxis geübt hat? Warum kommt es nur auf den Geschlechtsverkehr nach der Trauung an?
Das lässt sich letztlich nur aus dem historischen Verständnis der Ehe als Vertrag zum Zweck der Zeugung legitimer Nachkommen erklären. Vor dem Hintergrund der Ehe als „Vertrag über das Recht am Körper des anderen”, kann man sagen, dass ein solcher Vertrag nicht erfüllt war, so lange das Zeugungshandeln nicht wenigstens einmal realisiert war. Einen nicht erfüllten Vertrag kann man noch lösen, einen erfüllten nicht mehr. Noch heute hört man gelegentlich die Rede von den „ehelichen Pflichten“, womit der eheliche Geschlechtsverkehr gemeint war.
Unter heutiger Perspektive ist die Gemeinschaft des ganzen Lebens noch nicht realisiert, wenn die Partner die Sexualität in ihrem Zusammenleben noch nicht miteinander teilen. Dass hier noch Reste des alten Eheverständnisses mitspielen, ist nicht von der Hand zu weisen.
Wie steht es mit den Ehen von Nichtkatholiken oder anderen Konfessionen?
Dass die Ehe nicht Sakrament ist, wenn nicht beide Partner getauft sind, führt dazu, dass ihre Ehe nicht die Voraussetzungen der absoluten Unauflöslichkeit erfüllt:
Die [gültig] geschlossene und vollzogene Ehe kann durch keine menschliche Macht und aus keinem Grunde als durch den Tod gelöst werden. (Can. 1141)
Unter der gültig geschlossenen Ehe versteht diese Norm nur die Ehe zwischen Getauften, und nur die ist Sakrament. Die nicht sakramentale Ehe hat daher einen Mangel, der nicht aus ihrem unglücklichen Verlauf stammt, sondern von Beginn an da ist. Auf ihn stützt die Kirche ihre Praxis, eine solche Ehe aufzulösen, wenn es dem Glaubensleben des katholischen Teils förderlich ist.
Zusammenfassend: Weil die Kirche sich aufgrund des Schöpferwillens Gottes, den Jesus den Pharisäern deutlich gemacht hat, nicht trennen darf, was Gott verbunden hat, weil also die Ehe unauflöslich ist und daher eine lebenswichtige und lebenslängliche Entscheidung darstellt, setzt die Kirche die Anforderungen an die gültige Ehe hoch und überprüft sie, wenn eine Ehe gescheitert ist, durch ihre eigenen Gerichte.
Wie steht es mit den Ehen von Nichtkatholiken? Wie steht es mit den anderen Konfessionen?
Wenn die Kirche davon spricht, dass „die Ehe” unauflöslich sei, meint sie damit alle Ehen, unabhängig davon, wie die Partner das aufgrund ihrer Religions- oder Konfessionszugehörigkeit sehen. Für die Kirche ist die Ehe eine Natureinrichtung – die Ehe, über die Jesus mit den Pharisäern sprach, war keine katholische Ehe –, die der Schöpfungsordnung Gottes zu entsprechen hat.
Die Kirche maßt sich kein Urteil darüber an, wie der Staat oder andere Religionen und Konfessionen mit der Ehe umgehen, welche Theorie und welche Praxis ihr Handeln leiten. Wenn aber ein Katholik einen (nichtkatholischen) Partner heiraten will, der bereits in einer nichtkatholischen oder nichtchristlichen Ehe gebunden ist, betrachtet sie diese Ehe zunächst als gültig und, wenn sie zwischen (nichtkatholischen) Getauften geschlossen ist, als sakramental. Sie prüft daher um der katholischen Person willen, die den noch gebundenen Partner heiraten will, durch ihre Gerichte, ob einer der Gründe gegeben ist, aus dem eine Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt werden kann. Dabei legt sie ihr eigenes Recht zugrunde, soweit es für Nichtkatholiken oder Ungetaufte anwendbar ist. Damit meint die Kirche das Recht, das als göttliches Recht oder Naturrecht bezeichnet wird und das für alle Menschen unabhängig von ihrer Religions- oder Konfessionsangehörigkeit gilt. An diesem Recht müssen sich auch nichtkatholische Ehen messen lassen. Hierzu zählt beispielsweise das o. g. „Konsensprinzip“, das heißt, dass eine gültige, lebenslang bindende Ehe nur durch den wirklichen, fehlerfreien Willen des Partners zustande kommt aber ebenso, dass auch die nichtkatholische Ehe als einpaarige, unauflösliche und treue, als ganzheitliche und gleichberechtigte Partnerschaft gewollt gewesen sein muss.
Wenn die katholische Kirche ihre Lehre und Praxis der unauflöslichen Ehe mit den Worten Jesu in der Bibel begründet, liegt die Frage nahe, warum andere Kirchen und Konfessionen keine Ehenichtigkeitsverfahren kennen, sondern mit dem Scheitern und Wiederheiraten anders umgehen.
Es ist nicht Aufgabe der katholischen Kirche, die Praxis der anderen zu bewerten. Diese Praxis hat ihren Grund in einer anderen Art, mit dem Auseinanderfallen von Anspruch und Wirklichkeit vor Gottes Ordnung umzugehen.
Die evangelischen Kirchen haben das Eherecht seit der Reformationszeit dem Staat überlassen, einem Staat, der damals natürlich ein christlicher war und bei dem sie die christliche Ehe in guten Händen glaubten. Inzwischen ist der Staat religionsneutral und dem christlichen Eheverständnis nicht mehr verpflichtet. Für die evangelischen Kirchen folgt daraus, dass sie zwar an dem Ideal der Ehe auf Lebenszeit festhalten, aber Menschen, die staatlich geschieden sind und wieder zivil wieder geheiratet haben, den Segen in der Regel nicht verweigern: Diese kirchliche Trauung verstehen sie nicht als Anfang einer Ehe, sondern als Segensfeier über eine bereits geschlossene Ehe.
Die orthodoxen Kirchen halten daran fest, dass einer gültigen und sakramentalen Ehe keine zweite sakramentale Ehe folgen kann. Die erste Ehe besteht bis zum Tode eines der Partner und nach Auffassung einiger Schulen der Orthodoxen Theologie auch darüber hinaus! Wenn aber beim Scheitern der Ehe ein Partner eine andere Person heiraten will, verwehrt die orthodoxe Kirche dieser neuen Gemeinschaft nicht die Anerkennung, sondern traut die Partner der neuen Ehe in einer Art Bußakt und ohne den Brautsegen, der nur der ersten sakramentalen Ehe zukommt. Doch auch hier ist in der Praxis viel in Bewegung.
Demgegenüber folgt für die katholische Kirche aus der Ablehnung der Scheidung durch Jesus, dass sie eine andere Heirat Geschiedener nur billigen kann, wenn die erste Ehe nicht unauflöslich war oder gar nicht gültig.